Grut-Bier ante MDXVI (Urbier vor 1516)
Bier und der Einsatz von Gewürzen und Kräutern hat eine lange Tradition und ist wegen diverser Gegebenheiten (z.B. der Mythos um das Reinheitsgebot) heutzutage nur noch in der Heimbrauszene, wie auch vereinzelt in der kommerziellen Bierindustrie u.a. in Belgien und den U.S.A. anzutreffen.
Die Grut, Gruit (Mischung aus Kräutern) eines Brauers im 16. und 17. Jahrhundert enthielt eine breite Palette an Pflanzen: Teure asiatische Gewürze für die, die es sich leisten konnten (Ingwer, Gewürznelken, Galgant, Zimt, Muskat und sogar indische Lorbeerblätter), billigere Importe (Paradieskörner, Koriander, Süßholz) und einheimische Kräuter für weniger finanzstarke Kunden (Fenchel, Pfefferminze, Wacholder, Rosmarin und Gagel). Dabei wurde dem Bier nicht nur Geschmack gegeben, sondern auch die Haltbarkeit verbessert.
Aufgrund von archäologischen Funden im Gebiet der Rheinmündung kann angenommen werden, dass Gagel dort bereits zur Zeit Christi Geburt zum Bierbrauen verwendet wurde. Die erste Erwähnung des Gruts als Bierzutat, damals noch unter seiner lateinischen Bezeichnung materia cervisiae, geht auf das Jahr 974 zurück, als der römisch-deutsche Kaiser Otto II. per Erlass die Grutrechte, das heißt das Recht des Handels mit Grut, an die Kirche von Lüttich übertrug. Die Bezeichnung „Grut“ wurde erstmals im Jahr 999 erwähnt, als der römisch-deutsche Kaiser Otto III. der Martinuskirche in Utrecht das Grutrecht schenkte.
Hausbrauer Dölf Huber lebt diese Grut-Tradition wieder auf und nimmt sie gerne mit auf eine vielversprechende Geschmacksreise noch vor 1516…
Bei der Herstellung dieses Urbieres habe ich mich eines ganz einfachen Brauhandwerkes bedient. Als Mengenmass galt die 'Hand voll' sowie ein Mengenmass (Liter). Bei der Temperaturfühlung ist mir zu Gute gekommen, dass ich bei den vorherigen Brauprozessen (mit Temperaturkontrolle) auch öfters auf die Oberfläche des Sudwassers, der Maische sowie der kochenden Würze geachtet habe. Nun konnte ich mich auf diese Gegebenheiten einstellen und einen einfachen Maischeprozess einleiten. Denn ich musste ja davon ausgehen, dass jenes Haus-Bier nicht in einem mehrstufigen Infusionsverfahren mit einigen Temperatur-Rasten und 4-7° C. Grad Unterschied gebraut wurde.
Auch nahm ich an, dass das Mälzen des Korns eher dunkel ausfiel. So habe ich meine Malz-Mischung im Backofen nach geröstet um einen etwas rauchigeren Geschmack herbeizuführen.
Die meisten Grut-Zutaten sind aus gut geführten Bioläden. Ausser dem Myrica gale dem Gagelstrauch... diese Pflanzen habe ich im Frühjahr 2014 aus dem Küstengebiet Norddeutschlands bezogen und den Sommer durch gehätschelt. Im Herbst durfte ich dann die Gagel-Früchtchen ernten und endlich damit ein Grutbier brauen.
Und nun bleibt mir nur die Hoffnung: Dass Ihnen mein Urbier schmeckt und der Gagelstrauch wieder nachwächst...